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Workshops moderieren ist anders

Veröffentlicht am
17.9.2024
Dieser Post ein Gastbeitrag von Michael Neubert - Workshopmoderation. Einfach. https://www.workshopmoderationstraining.de/

Moderation unterscheidet sich stark von anderen Aufgaben eines OKR Masters, wie der strategischen Beratung oder der inhaltlichen Beurteilung. In deiner Rolle als Moderator begleitest du das Team während einer Veranstaltung durch einen Prozess. Dein Ziel ist es, eine Umgebung zu schaffen, in der die Gruppe effizient und produktiv zusammenarbeitet und am Ende zu Ergebnissen kommt.

Im Rahmen von OKR Events, wie OKR Plannings oder Workshops, Weeklys oder Reviews, wird diese Fähigkeit besonders wichtig. Doch was bedeutet „Moderieren“ in diesem Kontext genau?

Moderieren ist die Begleitung eines Teams durch einen Prozess zu einem Gruppenergebnis, ohne sich inhaltlich einzumischen.
(Quelle)

In diesem Artikel erfährst du, wie du als Moderator*in

  • im Objectives Workshop alle deine Rollen unter einen Hut bekommst,
  • in Weeklys mit Vielrednern umgehst und
  • in OKR Reviews für Lösungsorientierung sorgst.

Warum klappt es beim OKR Workshop nicht?

Du hast die Grundlagen bereits beachtet: Du hast O und KR in separate Termine gesplittet, die richtigen Leute sind im Meeting, die Anzahl der Teilnehmer stimmt, genug Zeit für Diskussionen hast du eingeplant, Vorbereitungsaufgaben verteilt, Pausen vorgesehen und die Agenda sinnvoll strukturiert.

Und trotzdem läuft der Workshop nicht wie geplant. Woran liegt das? Neben den formalen Prozessbausteinen braucht es auch eine gut ausgefüllte Moderationsrolle, damit das Meeting funktioniert. Besonders im Objectives Workshop zeigt sich dies deutlich.

Wie du im Objectives Workshop alle deine Rollen unter einen Hut bekommst

Die Herausforderung: Wenn deine Rollen kollidieren

Die Aussage

Nein, das ist kein Key Result. Das ist, wenn überhaupt, ein Objective!

oder die Frage

Wo seht ihr die Grenze zwischen MOAL und Vision?

sprudeln förmlich aus dir heraus. Es soll auf gar keinen Fall passieren! Das Ganze soll nicht wieder beim eingeschliffenen Performance Management mit KPIs enden! Deshalb grätschst du sofort ein. Das Team nimmt deine Hinweise dankbar auf und weiter geht’s im Objectives Workshop! Nur wenige Minuten später werden sie dich fragen, ob dieses Key Result ok sei oder wie man jenes noch besser formuliert.

Du ahnst es schon, es dauert nicht lange und du findest dich wieder, wie du den Entwurf schreibst und das Team um etwaige Verbesserungsvorschläge oder Korrekturen bittest. Das Bittere dabei: In keiner Phase wird sich Widerstand regen. Niemand hat mit dem Vorgehen ein Problem. Für einen neutralen Betrachter würde das als ein „harmonischer Objectives Workshop“ durchgehen. Nur du weißt, dass es deutlich besser geht!


Warum das im Objectives Workshop zu Konflikten führt

Deine Frage und die Aussage sind völlig berechtigt: Du hast die Grundlagen von OKR gelernt und verstanden. In deiner Rolle als Coach weißt du, dass du besonders bei der Einführung von OKR auf eine trennscharfe Unterscheidung achten musst.

Im Workshop hast du als OKR Master jedoch (mindestens) 2 Rollen:

  • Facilitator/Prozesswächter (hier: Moderator) und
  • Experte (hier: Beurteilung ob Objectives den Objectives-Anforderungen und KRs den KR-Anforderungen entsprechen).

In Zeitlupe

Menschen suchen in sozialen Situationen immer nach sozialer Transparenz: „Wer ist hier und wozu?“. Das führt dazu, dass die Teilnehmenden im Workshop intuitiv wissen wollen, was deine Rolle ist. Wenn ihnen das niemand anders sagt, „lesen“ sie diese Rolle „aus“. Da du ihnen im Kontext von OKR immer wieder als Experte begegnet bist, ist das auch heute der naheliegende „Anfangsverdacht“. Wenn du jetzt auch noch die eine fachkundige Aussage machst oder die andere weise Frage stellst, bestätigt sich das Gefühl. Diese Einordnung findet unbewusst statt und auf jeden Fall ohne böswillige Absicht!

So meisterst du die Doppelrolle

Was kannst du tun, um die beiden Rollen unter einen Hut zu bekommen? Die einfachste Lösung ist eine zusätzliche Moderatorin. Sie kümmert sich um die Durchführung des Objectives Workshops, während du dich auf deine Experten- oder Prozess-Eigentümer-Rolle konzentrieren kannst. Du kannst zum Beispiel eine benachbarte OKR Masterin bitten, dir auszuhelfen (… und im Gegenzug moderierst du den Objectives Workshop in ihrer Gruppe). Wenn das nicht möglich und eine zusätzliche externe Moderation wirtschaftlich nicht sinnvoll ist, kannst du versuchen, die Doppelrolle zu schultern.

Möglich ist das. Du kannst – ganz allgemein – auch zwei Rollen in einer Person vereinen, wenn du moderierst. Auch außerhalb von OKR gibt es immer wieder solche Situationen. Die mit der Moderatoren-Rolle „konkurrierenden“ Rollen sind dann wahlweise Experte, Vorgesetzter oder auch Auftragnehmer. Dabei sind immer diese drei Schritte sinnvoll:

  1. Werde dir selbst über die verschiedenen Rollen klar und frage dich, ob du beide Rollen getrennt voneinander wahrnehmen kannst. Das hört sich nach Dr. Jekyll und Mr. Hyde an, bedeutet aber, dass du in keiner der beiden Rollen „befangen“, emotional verhaftet sein sollst. Nur, wenn du diese Frage mit „ja“ beantworten kannst, nimmst du die Doppelrolle an!
  2. Stelle soziale Transparenz her: Gleich zu Beginn des Workshops (und wenn angemessen, zusätzlich bereits in der Einladung) erklärst du die beiden Rollen, die du inne hast. Im besten Fall vereinbarst du Signale, an denen die Teilnehmer im Workshop erkennen können, aus welcher Rolle du gerade sprichst. Solche Signale können
    • optisch (dein Standort links oder rechts neben dem Flipchart, wenn du willst, auch zwei verschiedenfarbige „Hüte“) oder
    • akustisch („Ich schlüpfe jetzt wieder in meine Rolle als Experte“) sein.
  3. Halte dich während des Workshops daran! Besonders am Anfang solltest du die Signale lieber etwas mehr betonen. Das Schöne daran: Sobald die Teilnehmer sich darauf eingestellt haben, werden sie dich nötigenfalls unterstützen, indem sie nachfragen: „In welcher Rolle bist du gerade?“ Auf keinen Fall darf es passieren, dass du als Experte längere oder häufigere Redeanteile bekommst, als die anderen Teilnehmer!

Daneben helfen Formulierungen, die auch sonst in der Moderation üblich und nützlich sind: Statt „man könnte ja mal“ und „es ist nicht so gewollt“ oder Passivkonstruktionen benutzt du selbst konkrete Subjekte („ich“, „du“, „wir“, „ihr“, der Product Owner, …) in deinen Fragen und ermutigst auch die Teilnehmer „Ross und Reiter“ zu benennen.

Vielredner im Weekly Check-in meistern

Die Gefahr: Wenn Einzelne das Meeting dominieren

Wenn in deiner Organisation OKR noch „jung“ ist, beobachtest du vielleicht diese Herausforderung. Weekly Meetings können in "Nabelschauen der Fleißbeweise" abdriften. Zu Beginn des Check-ins fällt es dir schwer, das Eis zu brechen. Wenn sich dann endlich die erste Person zu Wort meldet, schwant es dir schon – du kennst ja deine „Pappenheimer“.

Der Kollege beginnt bei einem Thema, das nur entfernt mit OKR zu tun hat und kommt schnell von Hölzchen auf Stöckchen. An den zur Verfügung stehenden Gesamtzeitrahmen (20 Minuten für alles) scheint er sich einfach nicht zu erinnern. Deine nonverbalen Versuche, ihn mit Körperhaltung und Blick auf die Uhr sanft darauf hinzuweisen, nimmt er gar nicht war. Gern würdest du seinen Redefluss unterbrechen, aber es bietet sich einfach keine Atempause an, um ihn elegant und höflich auf sein Vielreden hinzuweisen. Im Augenwinkel siehst du, wie die manche Teilnehmer abschalten und andere ungeduldig werden. Aber Hilfe ist auch von ihnen nicht zu bekommen!

Irgendwann hört der Vielredner auf zu sprechen und das Meeting geht weiter. Einen Beitrag zu Themen, die eine Entscheidung oder einen nächsten Schritt erfordern, hat er nicht geleistet. Dir ist jetzt schon klar, dass du nicht pünktlich enden wirst. So wie die letzten beiden Male, als auch schon kaum Fortschritt, Confidence Level, Impediments oder Initiatives herausgekommen sind.

Warum Vielredner die Effizienz gefährden

Dabei hat der Vielredner mehr Schaden angerichtet, als nur für ein spätes Ende des Meetings zu sorgen. Die anderen Teilnehmer sind sehr wahrscheinlich frustriert, weil sie ihre Zeit damit verbracht haben, länglichen irrelevanten Ausführungen zuzuhören.

Außerdem haben sie unterbewusst gelernt, worum es im OKR Weekly eigentlich geht: Viel reden – idealerweise über Dinge, die man selbst gut kann, gut weiß oder gut gemacht hat – kurz: bei denen man selbst gut da steht. Wenn du dass vermeiden und stattdessen lieber erreichen willst, dass kurz und zielgerichtet über den OKR Fortschritt gesprochen wird, brauchst du eine klare und treffsichere Strategie gegen Vielredner!

So hältst du Weeklys kurz und knackig

Zwei Erkenntnisse haben mir das Moderieren von Workshops deutlich erleichtert:

  1. Vielredner atmen nicht.
  2. Menschen kommen nicht als Vielredner auf die Welt. Sie stehen auch nicht morgens auf, um mein Weekly Meeting durch Labern zu torpedieren. (Zumindest die allermeisten Menschen nicht!)

Die Sache mit der Atempause

Weil Vielredner nicht atmen, wirst du vergeblich warten, bis sich eine geeignete Pause ergibt, in der du unterbrechen und dabei höflich bleiben kannst. Deshalb solltest du in diesem speziellen Fall deine Höflichkeit ablegen und den Vielredner mitten in dessen Satz unterbrechen – ganz bewusst und „unhöflich“. Schließlich ist es deine Aufgabe, durch den Prozess zu führen. Dagegen ist der Vielredner de facto unhöflich, weil er sich nicht an die Regel „kurz fassen – ausreden lassen“ hält.

Am besten unterbrichst du mit einem Stopp-Wort, welches inhaltlich nicht super wichtig ist. Es besteht schließlich die Gefahr, dass dein erstes Wort gar nicht klar gehört wird. Das Stopp-Wort dient lediglich dazu, die akustische Aufmerksamkeit des Vielredners sowie des gesamten Publikums zu bekommen. Je nach Situation und Kontext kannst du zum Beispiel mit „Moment bitte!“, „Halt Stopp!“, dem Namen des Vielredners oder „Ich möchte dich jetzt unterbrechen.“ einsteigen. So lange, bis du die einzige Person bist, die spricht. Dann gehst du direkt zum nächsten Punkt über.

Wertschätzung

Aus dem zweiten Punkt ergibt sich eine wichtige Einstellung. In der Regel wissen wir Moderatoren nicht, was den Vielredner zum Vielredner gemacht hat – selbst, wenn es sich um einen „Pappenheimer“ handelt. Da wir im Weekly nicht die Zeit haben, es herauszufinden, hilft uns nur, dass wir 2 Dinge voneinander trennen:

  • Die Wertschätzung der Person und
  • das Steuern des Prozesses.

So sehr der Vielredner auch stören oder sogar nerven mag, verdient er als Mensch unsere Wertschätzung. Wenn er die nicht bekommt, wird er sich wahrscheinlich auch nicht durch den Prozess steuern lassen. Also zeige ihm Wertschätzung! Am einfachsten erreichst du das durch die ersten Stufen des aktiven Zuhörens:

  1. Frage stellen, Zeit zum Antworten geben,
  2. zuhören, Anwesenheit signalisieren,
  3. verstehen und Verständnis „beweisen“

Manche Moderatoren denken, den dritten Punkt „abgehakt“ zu haben, wenn sie sagen: „Ja, ja - ich verstehe dich.“ Doch so funktioniert es nicht! Du musst wirklich in der Lage sein, den Inhalt wiederzugeben. Im kurzen Fall wiederholst du den O-Ton. Bei längeren Ausführungen fasst du mit deinen eigenen Worten zusammen. Gib dir deshalb Mühe beim zweiten Punkt: „zuhören“!

Wenn du das gut machst, wird der Vielredner entgegnen: „Ja, genau das meine ich.“ Jetzt ist genau deine Chance, die Steuerung durch den Prozess wieder an dich zu reißen. Sag, was du als Nächstes möchtest. Das können – je nach Situation – zum Beispiel eine Antwort auf eine (andere) Frage, die Einordnung in den Kontext des Weeklys oder der Input eines anderen Teilnehmers sein.

Wie die richtigen Fragen im OKR Review für Lösungsorientierung sorgen

Wenn Rechtfertigung die Diskussion lähmt

Eigentlich haben alle das gleiche Interesse und die selbe Agenda: Im OKR Review sollen Ursachen von Problemen gefunden werden, damit in der nächsten Periode alles noch ein bisschen besser läuft. Schließlich beschäftigen wir uns mit komplexen Herausforderungen und wollen zügig den besten Weg ausloten, statt vermeintlichen „Best Practices“ nachzueifern. Eine wahre Verbesserungskultur soll erreicht werden!

Doch sehr schnell rechtfertigen sich die einen und loben sich die anderen. Als OKR Master warst du behutsam darauf bedacht, niemanden persönlich für die mangelnde Zielerreichung anzuzählen. Doch irgendwie redet doch wieder jeder nur von sich. Wie kannst du schnell zur Lösungsorientierung kommen, ohne dass sich das Team mit Schuldfragen aufhält?

Warum „Warum“-Fragen problematisch sind

Egal, ob du es positiv

„Warum haben wir das Ziel so gut erreicht?“

oder negativ

„Warum haben wir das Ziel nicht erreicht?“

formulierst - „Warum“-Fragen erzeugen Rechtfertigungsdruck! Das ist vielleicht ein Phänomen der deutschen Sprache. Wenn wir „Warum?“ hören, suchen wir in unserem Gehirn nicht automatisch nach Gründen. Auch wenn das Wort genau danach verlangt. Sehr schnell denken wir an den eigenen Anteil – die (Mit-)Schuld oder auch den Verdienst, wenn es um eine positive Wirkung geht. Wer einmal in dieser persönlichen „Schuld-Kategorie“ denkt, begibt sich auf unproduktive Pfade: Eingeständnis oder schlichte Abweisung, Rechtfertigung oder Ausrede, Selbstkritik oder auf andere abwälzen.

So bringst du dein Team auf den Lösungsweg

Dem Finden von Ursachen hilft das wenig. Natürlich kann auch persönliches Versagen eine kausale Ursache für ein Problem sein. Und ja – auch in der komplexen Welt kann man einzelne Dinge „falsch“ oder „richtig“ machen (Zum Beispiel: Einen Termin vergessen). Gewöhnlich gibt es jedoch eine viel größere Bandbreite von potentiellen Ursachen. Viele davon sind Irrtümer und keine Fehler!

Um diese gezielt zu erfragen, empfehle ich, die Fragen umzuformulieren. Dabei reicht es nicht, das „Warum“ durch ein „Wieso“ zu ersetzen! Frage konkret nach den Ursachen oder Gründen. Damit unterstreichst du, dass es hier und heute nicht um Schuld oder Verdienst geht.

„Was waren die Ursachen für die [gute Zielerreichung]?“

Oder

„Welche Gründe gab es dafür, dass wir das [Ziel] nicht erreicht haben?“

Oder

„Was können wir im nächsten Zyklus verbessern?“

Zusammengefasst

Beim Moderieren von OKR Reviews, Weeklys, Objectives Workshops und anderen Formaten hast du als OKR Master eine andere Rolle, als außerhalb dieser OKR Workshops. Ein wichtiger erster Schritt für erfolgreiche Veranstaltungen ist die Klarheit darüber – bei dir und deinen Teilnehmerinnen.

Im nächsten Schritt solltest du die wichtigsten Fähigkeiten eines Moderators kennen und von den Methoden und Werkzeuge der Moderation wissen. Nur so kannst du sie Schritt für Schritt kennenlernen und ausprobieren und Fähigkeiten gezielt weiterentwickeln. Dafür kannst du Selbststudium, Feedback von Kollegen oder das Training Remote Moderation für OKR Master von die.agilen nutzen. Viel Erfolg dabei!

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