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Komplexität und OKR: Warum wir anders führen müssen

Veröffentlicht am
4.4.2025

Was haben eine mechanische Uhr, ein Ferrari, ein Regenwald und ein menschenbetriebenes Flugzeug mit OKR zu tun? Mehr, als man denkt. Denn in einer komplexen Welt helfen klassische Denkweisen nicht mehr weiter.

Kompliziert oder komplex? Ein entscheidender Unterschied

Viele Organisationen verwechseln „kompliziert“ mit „komplex“. Dabei ist der Unterschied entscheidend:

  • Kompliziert ist z. B. ein Uhrwerk oder ein Ferrari. Alles ist analysierbar, vorhersagbar und reparierbar.
  • Komplex ist ein Regenwald oder ein Teamprojekt. Viele autonom agierende Elemente interagieren miteinander, oft unvorhersehbar.

In Unternehmen wird dieser Unterschied oft ignoriert. Ein Projekt wird rein analytisch betrachtet, obwohl Menschen involviert sind. Und wo Menschen sind, wird es immer auch komplex.

👉 OKR in einem komplizierten System? Da reicht ein Plan, ein Ziel und ein gut definierter Ablauf.

👉 OKR in einem komplexen System? Da braucht es Hypothesen, Experimente und Feedbackzyklen.

Warum klassische Methoden oft scheitern

Viele Organisationen tappen in die Falle des sogenannten Maslow’s Hammer: Wenn man nur einen Hammer hat, sieht alles wie ein Nagel aus. Klassische Tools und Prozesse werden dann auf Probleme angewendet, für die sie gar nicht gedacht sind – etwa in der agilen Transformation.

Beispiel: Ein Lenkungsausschuss macht plötzlich „Sprints“ – obwohl es weder ein Team noch ein Produkt gibt. Hier wurde eine Methode angewendet, ohne den Kontext zu verstehen.

Gleichzeitig wirkt der Dunning-Kruger-Effekt: Menschen überschätzen ihre Fähigkeiten, gerade wenn ihnen das Wissen fehlt, ihre Inkompetenz zu erkennen. In Unternehmen äußert sich das oft in blindem Aktionismus, statt dem Mut zur Unsicherheit.

Daher starten wir unsere Arbeit in Organisationen stets mit einem OKR DeepDive in welchem sich - meist ein Führungskreis - einen ganzen Tag mit der Welt der Komplexität beschäftigen darf.

Der Shift: Von Analyse zu Empirie

In komplexen Umfeldern hilft keine Analyse der Einzelteile – sondern nur der Blick auf Muster, Beziehungen und Verhaltensdynamiken. Oder wie Raitner schreibt: „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.“

Die Antwort darauf ist Empirie statt Analyse:

  • Kleine Experimente starten
  • Schnell lernen
  • Hypothesen überprüfen
  • Feedback auswerten

Genau hier setzen OKRs an – wenn sie richtig eingesetzt werden.

OKR als Antwort auf Komplexität

OKR wurde nicht entwickelt, um Projekte planbarer zu machen, sondern um mit Unsicherheit produktiv umzugehen. In komplexen Systemen brauchen wir Ziele, die Orientierung geben, aber gleichzeitig Schritte, die veränderbar bleiben.

Zwei Lernschleifen in OKR

  1. Was lernen wir über das Ziel? Funktioniert unser Ziel in der Realität? Reagiert der Markt darauf? Passt es zum Umfeld?
  2. Was lernen wir über unsere Zusammenarbeit? Stimmen unsere Annahmen über das Wie der Zielerreichung? Wie gut funktioniert unser Alignment?

Beide Lernprozesse machen OKR zu einer agilen Führungsmethode – nicht zu einem Controlling-Tool.

Beispiel: Spotify und die Entwicklung ihres agilen Modells

Als Spotify begann, ihre agile Arbeitsweise zu entwickeln, standen sie vor einem großen Problem:

Es gab zwar viele etablierte Frameworks (Scrum, SAFe, LeSS etc.), aber keine passte wirklich zu ihrer komplexen Realität als wachsendes Tech-Unternehmen mit vielen Teams, schnellem Wachstum und sich ständig verändernden Kundenanforderungen.

Statt ein fertiges Modell von der Stange zu übernehmen, entschieden sie sich für einen experimentellen Weg:

  • Sie führten Squads ein – kleine, autonome Teams mit viel Entscheidungsspielraum.
  • Statt strenger Prozesse setzten sie auf Prinzipien und kulturelle Leitplanken.
  • Sie testeten neue Formen der Zusammenarbeit in einzelnen Teams, lernten daraus und skalierten nur das, was funktionierte.
  • Das berühmte Spotify-Modell entstand nicht auf dem Reißbrett, sondern als lebendiges, lernendes System.

👉 Spotify baute also kein perfektes System von Anfang an, sondern eines, das sich schnell verändern und anpassen ließ. Sie stellten nicht die Frage „Was ist das richtige Framework?“ – sondern: „Was funktioniert in unserem Kontext – jetzt gerade?“

Fazit: OKR für eine komplexe Welt

Wenn wir OKR richtig verstehen und einsetzen, dann ist es kein Planungstool, sondern ein Navigationsinstrument in unsicherem Terrain. Es hilft uns nicht, Komplexität zu reduzieren – aber sie produktiver zu nutzen.

Drei Leitfragen für OKR in komplexen Systemen:

  1. Wie viel wissen wir wirklich über unser Ziel – und wie viel vermuten wir nur?
  2. Wie können wir klein starten und schnell lernen?
  3. Wo ersetzen wir noch Analyse durch echtes Ausprobieren?

Die Zukunft gehört nicht denen, die am besten planen – sondern denen, die am schnellsten lernen.

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