In diesem Artikel wollen wir einen kritischen Blick auf typische Stolperfallen bei der Einführung von OKRs in Organisationen werfen und wie man diese vermeiden kann.
Einleitung: OKRs sind kein Allheilmittel
Objectives and Key Results (OKR) haben sich in den letzten Jahren als wirkungsvolles Framework etabliert, um Fokus, Ausrichtung und Transparenz in Organisationen zu schaffen. In der Theorie klingt das einfach: Ziele definieren, messbare Ergebnisse formulieren, loslegen. In der Praxis aber zeigt sich: OKRs sind kein Selbstläufer.
Immer wieder zeigt sich, dass OKRs dann zur Last werden, wenn sie ohne Kontext, ohne klares Ziel und ohne passende Begleitung eingeführt werden. Dieser Artikel beleuchtet typische Herausforderungen bei der Umsetzung und zeigt anhand von Beispielen, wie man es besser machen kann.
1. Nicht alles braucht ein OKR
Ein typischer Denkfehler beim Einführen von OKR ist die Annahme, jede Abteilung und jedes Team brauche eigene OKRs. Das klingt nach Einheitlichkeit und Standardisierung, wird aber schnell zum Bumerang.
Beispiel: IT-Betrieb und Support-Teams
Stellen wir uns ein IT-Team vor, das für den stabilen Betrieb von Servern verantwortlich ist. Ihre Erfolgsmetriken sind klar: Uptime, MTTR (Mean Time To Recovery), Reaktionszeit auf Incidents. Warum sollten sie nun plötzlich "Ziele" formulieren, die ohnehin durch Betriebskennzahlen abgedeckt sind? In unserem OKR-Ansatz nennen wir derlei Kennzahlen "Health Metriken". Diese gilt es natürlich zu beachten, sie stellen aber selbst kein Ziel dar.
Oder denken wir an den Kundenservice. Hier sind KPIs wie "Average Handling Time" oder "First Contact Resolution" über Jahre etabliert. Ein zusätzliches OKR fühlt sich an wie ein überflüssiges Anhängsel.
Beispiel: Klar definierte Projekte
Ein internes IT-Team soll eine neue Zeiterfassungsfunktion in ein bestehendes HR-System integrieren. Die Anforderungen sind eindeutig, die technische Umsetzung ist Routine, die Komplexität geht gegen 0. Ein zusätzliches OKR würde den Fokus nur verschieben und führt zu unnötiger Mehrarbeit.
2. Rollout ohne "Warum" führt zu Widerstand
Eine der häufigsten Ursachen für gescheiterte OKR-Implementierungen: Top-down-Verordnungen ohne Kontext. Wenn Mitarbeitende nicht verstehen, warum eine neue Methode eingeführt wird, entsteht Ablehnung.
"Wieder ein neues Tool? Wieder ein neuer Prozess? Können wir nicht einfach arbeiten?"
Beispiel: Change ohne Change-Kommunikation
Ein Unternehmen verkündet: Ab sofort nutzt jede Abteilung OKRs. Parallel dazu wird ein neues Tool eingeführt. Schulungen gibt es kaum, Feedback wird nicht eingeholt. In der Folge sehen viele Teams OKRs nur als Pflichtübung: "Einmal pro Quartal das Template ausfüllen, abhaken, fertig."
Das eigentliche Potenzial – strategische Klarheit, Fokussierung, Empowerment – bleibt auf der Strecke.
Was es braucht:
- Eine klare "Why Story": Warum OKRs? Warum jetzt?
- Beteiligung der Teams beim Setup
- Zeit für Experimente und Reflexion
- Feedbackschleifen zur kontinuierlichen Verbesserung
- OKR MUSS immer freiwillig gelebt werden können, das gilt für einzelne im Team, aber auch für ganze Teams an sich
3. Ziele sind gesetzt – und dann?
Ein weiteres Problem: OKRs sind da, aber niemand weiß, wie man sie lebt. Die Ziele werden formuliert, aber der Alltag bleibt unverändert.
Beispiel: Orientierungslosigkeit nach dem Planning
Ein Produktteam definiert ambitionierte OKRs. Doch im Sprint Planning dominieren weiterhin Feature-Tickets, die mit den formulierten Zielen wenig zu tun haben. Warum? Weil niemand gezeigt hat, wie man OKRs in operative Arbeit übersetzt.
Oder ein Marketingteam formuliert das Ziel, die Markenbekanntheit bei einer jungen Zielgruppe zu steigern. Doch statt zielgerichtete Maßnahmen abzuleiten, kehrt das Team zu klassischen Kampagnen zurück, weil es keine Erfahrung mit datengetriebenen Experimenten hat.
OKRs sind kein Ziel an sich, sondern ein Ausgangspunkt für einen neuen Arbeitsmodus:
- Arbeiten wir am Richtigen?
- Wie messen wir Fortschritt?
- Wo lernen wir?
- Was verwerfen wir?
Wenn dieser Brückenschlag fehlt, verkommt OKR zur Kosmetik.
4. OKRs als Werkzeug, nicht als Dogma
OKRs sind ein Werkzeug – kein Dogma.
Sie entfalten ihren Wert dort, wo sie:
- Orientierung stiften,
- Lernprozesse strukturieren,
- Autonomie fördern,
- Zusammenarbeit verbessern.
Aber sie sind nicht für jede Situation geeignet. Wer OKRs flächendeckend ohne Kontext einführt, handelt mit guten Absichten, aber potenziell kontraproduktiv.
Beispiel: Teams in der Entdeckung vs. Teams in der Lieferung
Ein Team in der Entdeckungsphase will herausfinden, wie ein neues Produktsegment erschlossen werden kann. Hier sind OKRs ideal: Hypothesen, Experimente, messbare Lernergebnisse.
Ein anderes Team arbeitet an der Migration eines veralteten Systems. Die Anforderungen sind klar, der Weg bekannt. Hier könnte ein klassischer Projektplan sinnvoller sein als ein OKR.
5. OKR ohne OKR Master und OKR Leadership: Ein unterschätzter Fehler
Die Implementierung von Objectives and Key Results (OKR) ohne die spezifischen Rollen des OKR Masters und des OKR Leaders kann die Effektivität des gesamten Systems erheblich beeinträchtigen.
Die Bedeutung des OKR Masters
Der OKR Master übernimmt mehrere entscheidende Funktionen:
- Prozessverantwortung: Er ist hauptverantwortlich für den OKR-Prozess und gestaltet diesen mit der Community of Practice (CoP) selbstständig aus.
- Expertise: Als Fachexperte gibt er sein Wissen über OKR und verwandte Themen an die Beteiligten weiter.
- Facilitation: Er moderiert alle OKR-Events, bereitet diese vor und nach, und sorgt für einen reibungslosen Ablauf.
- Coaching: Als Coach unterstützt er die am OKR-Prozess beteiligten Personen individuell.
- Change Management: Er begleitet die organisatorischen Veränderungen, die mit der Einführung von OKR einhergehen.
Ohne OKR Master fehlt es dem Prozess an Struktur und Unterstützung, was zu Ineffizienz und Missverständnissen führen kann.
Die Rolle des OKR Leaders
Während der OKR Master den Prozess betreut, trägt der OKR Leader die Verantwortung für die strategische Ausrichtung:
- Strategische Entscheidungen: Er stellt sicher, dass die OKRs auf die Unternehmensziele einzahlen und trifft entsprechende Entscheidungen.
- Outcome-Orientierung: Der Fokus liegt auf Ergebnissen und nicht nur auf der reinen Zielerreichung.
Ohne einen OKR Leader fehlt die Verbindung zwischen den definierten OKRs und der übergeordneten Unternehmensstrategie, was die Wirksamkeit des gesamten Systems mindert.
Fazit
Die Einführung von OKR ohne die spezifischen Rollen des OKR Masters und des OKR Leaders kann dazu führen, dass das System nicht die gewünschten Ergebnisse liefert. Diese Rollen sind essenziell, um sowohl den Prozess effizient zu gestalten als auch die strategische Ausrichtung sicherzustellen.
Fazit: OKRs bewusst und gezielt einsetzen
OKRs können ein Game-Changer sein. Aber nur, wenn sie richtig eingesetzt werden:
- Nicht jedes Team braucht OKRs.
- Der Sinn und Nutzen muss transparent sein.
- Nach dem Setzen kommt das eigentliche Arbeiten mit OKRs.
- Es braucht die Rollen OKR Master und OKR Leader, damit OKRs zum Erfolg werden können.
Wer diese Aspekte ignoriert, riskiert, dass OKRs als "Bürokratie" wahrgenommen werden. Wer sie beherzigt, schafft echte Klarheit und Wirkung.
Noch Fragen? Oder Interesse, wie man OKRs sinnvoll und schrittweise im eigenen Unternehmen einführt? Dann gerne melden oder Feedback hinterlassen. OKRs sind kein Ziel. Sie sind ein Weg.