OKR
10m

Warum viele kleine Strategien größere Wirkung haben

Veröffentlicht am
17.5.2024

Wenn man heutzutage über Strategie spricht, meint man meistens die Gesamtstrategie eines Unternehmens oder einer Organisation. Dabei geht es oft um eine allumfassende Vision, Mission, Leitbilder, Werte und strategische Ziele. Diese Strategien haben dann meist 30 oder mehr Seiten, werden für Jahre im voraus meist vom oberen Führungstab entwickelt,. dann in Hochglanzpräsentationen verpackt und in aufwändigen Kommunikationsmaßnahmen im gesamten Unternehmen verteilt. Nun soll OKR für die Strategieumsetzung sorgen und die Zukunft ist gerettet.

Doch diese one-size-fits-all-Strategie („eine Strategie für alle“) hat ihre Tücken und Einschränkungen und kommt in diesen dynamischen und komplexen Zeiten regelmässig an ihre Grenzen. Ist es vielleicht sinnvoller, spezifische Strategien für einzelne Subsysteme einer Organisation zu entwickeln? Können diese kleineren Strategien die große ersetzen oder zumindest ergänzen? In diesem Artikel möchten wir diese Fragen diskutieren und dir zeigen, welche Vorteile eine geschickt orchestrierte Landschaft kleinerer Strategien gegenüber einer einzigen globalen Strategie haben kann.

Teil 1: Erfahrungen aus der Praxis

In den vergangenen 20 Jahren als Organisationsberater haben wir sowohl mit großen als auch mit kleinen Strategien gearbeitet. Wir haben dabei vier wesentliche Dimensionen identifiziert: die inhaltliche Formulierung, die Anschlussfähigkeit, der Detaillierungsgrad und die Anzahl der Strategien.

Inhaltliche Formulierung

Eine globale Strategie muss zwangsläufig abstrakt sein, da sie alle Bereiche einer Organisation abdecken soll. Das führt oft dazu, dass die Formulierungen so allgemein gehalten sind, dass sie für die spezifischen Bedürfnisse einzelner Teams oder Abteilungen kaum noch relevant sind. Im Gegensatz dazu kann eine kleine, auf eine bestimmte Abteilung oder ein Team zugeschnittene Strategie sehr viel konkreter und damit praxisnäher sein. Diese Konkretheit erleichtert es den Mitarbeitenden, die strategischen Ziele in ihrem täglichen Arbeiten zu berücksichtigen und umzusetzen.

Anschlussfähigkeit

Eine Strategie ist nur dann wertvoll, wenn sie in der Organisation weiter kommuniziert und in die tägliche Arbeit integriert wird. Hier liegt der klare Vorteil der kleineren Strategien: Sie sind oft viel näher an den konkreten Aufgaben und Herausforderungen der einzelnen Teams oder Abteilungen. Dadurch werden sie eher aufgegriffen und umgesetzt. Globale Strategien hingegen bleiben oft abstrakt und finden im Alltag wenig Beachtung. Oder anders gesagt - ist eine Strategie nicht anschlußfähig, wird sie niemals umgesetzt werden.

Detaillierungsgrad

Völlig verwirrend wird es dann, wenn der Versuch unternommen wird, eine globale Strategie mit hohem Detaillierungsgrad anzufertigen, um alle Unternehmenseinheiten zu adressieren. Denn dann wird der Versuch entweder sehr lange dauern, wenn man den Input aller Unternehmenseinheiten abholt und einarbeiten will oder aber man "verdummt" die Organisation, weil man selbst (im Führungsteam) Entscheidungen trifft, die besser und intelligenter in den Unternnehmenseinheiten getroffen worden wären. Das Ergebnis ist ein ellenlanges Dokument, welches einerseits niemand komplett erfassen und schon gar nicht leben will und welches andererseits schon bei der Erstellung veraltet sein muss.

Anzahl der Strategien

Tatsächlich treffen wir überwiegend auf lediglich eine Strategie fürs gesamte Unternehmen. In selteneren Fällen gibt es eventuell noch eine oder zwei weitere Strategien, die von der Gesamtstrategie abgeleitet wurden, wie z.B. eine IT-Strategie bei IT-lastigen Unternehmen oder eine HR-Strategie.

Teil 2: Systemtheoretische Perspektive

Die systemtheoretische Perspektive, insbesondere die von Niklas Luhmann, unterstützt diese Beobachtungen. Luhmann betont die Vorteile von interner Differenzierung und Anpassungsfähigkeit. Er argumentiert, dass Systeme mit starker interner Differenzierung elastischer und anpassungsfähiger sind. Das bedeutet, dass Organisationen, die ihren einzelnen Abteilungen oder Teams eigene, spezifische Strategien zugestehen, besser auf Veränderungen in ihrer Umwelt reagieren können.

Anpassungsfähigkeit durch Differenzierung

Luhmann schreibt, dass Systeme von starker interner Differenzierung an innerer Elastizität und äußerer Anpassungsfähigkeit gewinnen. Das bedeutet, dass die einzelnen Einheiten einer Organisation, die jeweils auf ihre spezifischen Umweltbedingungen reagieren, in ihrer Gesamtheit robuster und anpassungsfähiger sind.

Teil 3: Handlungsempfehlungen

Aus unseren Erfahrungen und den systemtheoretischen Überlegungen lassen sich klare Handlungsempfehlungen ableiten. Es ist sinnvoll, den einzelnen Subsystemen einer Organisation die Möglichkeit zu geben, eigene Strategien zu formulieren. Dies erhöht die Anschlussfähigkeit und die Relevanz der strategischen Ziele für die Mitarbeitenden. Gleichzeitig kann die übergeordnete, globale Strategie bestehen bleiben und eine einheitliche Ausrichtung nach außen hin gewährleisten.

Praktische Umsetzung mit OKR

OKR bietet einen Rahmen für eine verteilte Strategiearbeit (bestehend aus Strategieentwicklung, Strategieumsetzung und Strategievalidierung) und das sowohl iterativ, inkrementell sowie vor allem föderativ. So arbeiten "obere Einheiten" zunächst an der Orientierung, in dem sie Vision & Purpose zur Verfügung stellen und wirtschaftliche Rahmenbedingungen mittels HED (HighLevel Economic Direction) formulieren. "Mittlere Einheiten" formulieren dann ein Zielbild mittels Moal (MidTerm Goal Picture) und formulieren ebenfalls wirtschaftliche Rahmenbedingungen mittels MED (MidTerm Economic Direction). Während die oberen Einheiten dies grundsätzlich mit einem unendlichen Horizont definieren und jährlich reflektieren, ist der Horizont bei den mittleren Einheiten schon jährlich und die Reflexion quartalsweise. Die Teams schließlich formulieren ihre individuelle Strategie als Objectives & Key Results mit einem Horizont von 3 Monaten und reflektieren diese wöchentlich. So ist sichergestellt, dass alle zur Strategie beitragen können, diese intelligent reflektiert wird und damit iterativ und inkrementell wächst und angepasst werden kann.

OKR ist agile Strategiearbeit (iterativ, inkrementell und föderativ)

Fazit

Die Kombination aus einer großen, globalen Strategie (über Vision&Purpose, Moal sowie HED & MED) und kleineren, spezifischen Strategien (über OKR-Sets) für die einzelnen Einheiten einer Organisation ist der beste Weg, um die Vor- und Nachteile beider Ansätze zu vereinen. Die globale Strategie bietet eine einheitliche Ausrichtung und dient als Orientierungspunkt für externe Partner und Kunden. Die kleineren Strategien hingegen sind konkret, anschlussfähig und motivierend für die Mitarbeitenden, da sie deren tägliche Arbeit direkt betreffen.

Diesen Beitrag teilen

Aktuelle News und Artikel

OKR
10m

Die Priorisierung ist tot – es lebe der Fokus

In einer Welt, die von Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität (kurz VUKA) geprägt ist, scheint Priorisierung ein nützliches Werkzeug zu sein. Doch genau hier liegt die Krux: Priorisierung allein reicht nicht aus, um in diesem Umfeld erfolgreich zu agieren. Vielmehr ist es der Fokus, der Unternehmen und Individuen nachhaltig zum Erfolg führt. Doch was bedeutet Fokus wirklich? Warum reicht Priorisierung nicht aus? Und wie können wir echten Fokus in unserem Arbeitsalltag etablieren? Dieser Artikel beleuchtet diese Fragen aus wissenschaftlicher, praktischer und strategischer Perspektive – und zeigt auf, warum OKR (Objectives and Key Results) Fokus als zentrales Prinzip erhoben hat.
die.agilen
8m

Warum Outcome-orientiertes Denken in einer VUKA-Umgebung aus systemtheoretischer Sicht entscheidend ist

In einer Welt, die zunehmend von Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität (VUKA) geprägt ist, stoßen traditionelle Management- und Denkansätze an ihre Grenzen. Die Systemtheorie nach Niklas Luhmann bietet hier eine wertvolle Perspektive, um zu verstehen, warum ein Fokus auf Outcomes (Ergebnisse im Sinne von Wirkungen) anstelle von Outputs (konkrete Produkte oder Leistungen) in solchen dynamischen Umgebungen nicht nur sinnvoll, sondern wissenschaftlich fundiert notwendig ist. Dieser Blogartikel beleuchtet die Relevanz dieses Paradigmenwechsels und verknüpft sie mit Luhmanns Theorie sozialer Systeme.